Aktuelle Empfehlungen zur Einführung getreidehaltiger Beikost

Bonn, 08.12.15 Etwa ein Prozent der europäischen Bevölkerung leidet an Zöliakie, einer Gluten-Unverträglichkeit. Der größte Risikofaktor für die Erkrankung ist die genetische Veranlagung: Kinder, deren Eltern von Zöliakie betroffen sind, erkranken zehnmal häufiger daran als Kinder, die nicht erblich vorbelastet sind. Lässt sich das Zöliakie-Risiko von Babys durch eine bestimmte Ernährungsweise senken? Dieser Frage gingen Forscher im Rahmen verschiedener Studien1-7 nach.

Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung des Darms, die durch Gluten ausgelöst wird und unter anderem zu Wachstumsstörungen führen kann. Verschiedene Studien1-7 beschäftigten sich mit der Frage, ob der Zeitpunkt des ersten Kontakts mit Gluten das Zöliakie-Risiko beeinflusst. Außerdem wurde untersucht, ob es sinnvoll ist, Babys zunächst mit kleinen Mengen Gluten zu konfrontieren. Die Ergebnisse zeigen: Weder ein besonders früher Kontakt mit Gluten (ab dem fünften Lebensmonat) noch spätes Einführen (nach dem ersten Geburtstag) haben einen Einfluss auf das Risiko einer Unverträglichkeit. Ebenso wenig kann das Zöliakie-Risiko gesenkt werden, wenn die Mutter während der Einführung glutenhaltiger Beikost weiter stillt. Ungeachtet dessen gilt diese Empfehlung weiterhin, denn Stillen über die ersten vier Monate hinaus hat eine Vielzahl anderer Vorteile.

Gluten ab dem sechsten Monat langsam einführen

Einige konkrete Empfehlungen konnten die Forscher aber doch aus den aktuellen Erkenntnissen ableiten8: Glutenhaltige Beikost sollte um den sechsten Lebensmonat herum eingeführt werden. Die Glutenmenge sollte zu Beginn noch niedrig sein und dann in den kommenden Monaten gesteigert werden. Die Experten empfehlen, im sechsten Monat den Glutengehalt der Beikost auf etwa 1,5 g täglich zu begrenzen – das entspricht zum Beispiel 190 g Spaghetti Bolognese aus dem Gläschen. Nach vier Wochen kann der Glutengehalt auf 2,5 g erhöht werden, etwa durch zusätzlich 175 g Hafer-Milchbrei. Zwischen dem achten und zwölften Lebensmonat sind etwa 5 g Gluten am Tag in Ordnung, nach dem ersten Lebensjahr ist eine Begrenzung nicht mehr notwendig und die Kinder dürfen am normalen Familienessen teilnehmen.

Bei nachgewiesener Zöliakie hilft nur eine vollständig glutenfreie Ernährung. Betroffene Säuglinge sollten vier bis sechs Monate voll gestillt werden oder eine geeignete Säuglingsnahrung erhalten. Folgemilch und Beikost müssen als glutenfrei ausgewiesen sein. Typische Symptome einer Gluten-Unverträglichkeit sind chronische Verdauungsbeschwerden, Blähungen, Gewichtsabnahme und Reizbarkeit.

Worauf Eltern bei der Ernährung ihres Babys außerdem achten sollten, beschreibt die Broschüre „Allergien vorbeugen, gesunde Entwicklung fördern“. Die Broschüre kann postalisch oder im Internet kostenfrei angefordert werden: Deutsche Haut- und Allergiehilfe e.V., Heilsbachstraße 32, 53123 Bonn, www.dha-allergien-vorbeugen.de.

(1) Ivarsson A, Hernell O, Stenlund H, et al. Breast-feeding protects against celiac disease. Am J Clin Nutr 2002; 75: 914–21

(2) Laass MW, Schmitz R, Uhlig HH, Zimmer KP et al.: The prevalence of celiac disease in children and adolescents in Germany— results from the KiGGS study. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 553–60. DOI: 10.3238/arztebl.2015.0553

(3) Lionetti E, Castellaneta S, Francavilla R et al.: Introduction of gluten, HLA status, and the risk of celiac disease in children. N Engl J Med. 2014; 371(14): 1295-303

(4) Pinto-Sánchez MI, Verdu EF, Liu E et al: Gluten introduction to infant feeding and risk of Celiac disease: A systematic review and Meta-analysis. See comment in PubMed Commons belowJ Pediatr. 2015 Oct 20. pii: S0022-3476(15)01045-8. doi: 10.1016/j.jpeds.2015.09.032. [Epub ahead of print]

(5) Sarno M, Discepolo V, Troncone R, Auricchio R et al.: Risk factors for celiac disease. Ital J Pediatr. 2015; 41:57

(6) Szajewska H, Shamir R, Chmielewska A et al.: Systematic review with meta-analysis: early infant feeding and coeliac disease--update 2015. Aliment Pharmacol Ther. 2015 Jun; 41(11):1038-54

(7) Vriezinga SL, Auricchio R, Bravi E et al.: Randomized feeding intervention in infants at high risk for celiac disease. N Engl J Med. 2014; 371(14):1304-15

(8) 2015 The University of Chicago Celiac Disease Center. www.cureceliacdisease.org/archives/faq

Hintergrundinformation:

Gluten kommt natürlicherweise in Getreide und Getreideprodukten wie zum Beispiel Nudeln vor, insbesondere in den Getreidesorten Weizen, Dinkel, Roggen und Hartweizen, in geringeren Mengen auch in Hafer und Gerste. Als Emulgator oder Stabilisator versteckt es sich aber auch in zahlreichen verarbeiteten Produkten, wie zum Beispiel Suppen, Wurst, Kräuterfrischkäse oder Nuss-Nougat-Cremes. Glutenfrei sind unverarbeitete Nahrungsmittel wie zum Beispiel Obst und Gemüse, Kartoffeln, Milch, Pflanzenöle, Fleisch, Fisch und Eier. Zu den glutenfreien Getreidesorten zählen unter anderem Reis, Mais und Hirse.

Eine Gluten-Unverträglichkeit kann bewirken, dass sich die Schleimhautfalten des Darms, die Darmzotten, entzünden. Sie durchlaufen dann nicht den normalen Erneuerungszyklus, sondern werden vorzeitig abgestoßen. Die unvollständig entwickelten Darmzotten können Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Vitamine und Mineralstoffe nicht ausreichend aus dem Speisebrei herausfiltern und an das Blut weitergeben. Wachstumsstörungen und Magen-Darmbeschwerden sind oftmals die Folge.